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  • Franziska

"Babel" Übersetzer-Interview mit Alexandra Jordan und Heide Franck



In diesem Beitrag habe ich mal keine Rezension für euch, dafür ein unfassbar spannendes Interview mit den beiden Übersetzerinnen von einem meiner Lieblingsbücher "Babel" von R.F. Kuang. Als begeisterte Leserin und Übersetzungsstudentin habe ich mich viel damit auseinandergesetzt, welche Rolle die Übersetzer*innen in unserer Branche haben und bin so über einige negative Dinge gestolpert. Das ist der Grund, wieso ich gerne meinen Blog nutzen möchte, um Übersetzer*innen einen Platz zu bieten und überdies euch Leser*innen und Blogger*innen zu sensibilisieren.


Interview mit Alexandra Jordan und Heide Franck

Übersetzerinnen von Babel (R.F. Kuang)


1. Wer seid ihr, aus welchen Sprachen übersetzt ihr und wie seid ihr zum Übersetzen gekommen? Wie viele Übersetzungen habt ihr bereits angefertigt?


AJ: Bei mir stand die Entscheidung fürs Literaturübersetzen schon in der Oberstufe fest, sodass ich schon im Bachelor Übersetzen studiert habe (FTSK Germersheim) und für den Master dann nach Düsseldorf gegangen bin, wo es einen MA Literaturübersetzen gibt. Ich übersetze aus dem Englischen und habe bisher 9 Bücher übersetzt.


HF: Ich wollte auch schon immer übersetzen, dachte aber, das läge in weiter, unrealistischer Ferne. In meinem Masterstudium Angewandte Literaturwissenschaft habe ich dann ein Praxisseminar „Literarisches Übersetzen“ beim Übersetzer Hannes Riffel belegt, und hinterher hat er mich gefragt, ob ich damit weitermachen wolle. Zack, ging es los. Inzwischen habe ich über 20 Bücher aus dem Englischen und Schwedischen übersetzt.


2. Wie habt ihr euch auf die Übersetzung von Babel vorbereitet? (bspw. habt ihr das Buch vorab komplett gelesen, Interviews etc. dazu gelesen,...) AJ: Ich habe das Buch nicht komplett lesen können, sondern habe nur quergelesen, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Ich habe aber festgestellt, dass mein Studium sowohl was Übersetzungstheorie als auch was Postkolonialismus betrifft, sehr gründlich war und ich sozusagen „aus Versehen“ genau die richtigen Schwerpunkte für Babel gelegt habe. Während der Übersetzung habe ich dann noch ein Seminar zu diskriminierungskritischem Übersetzen belegt.


HF: Das Seminar zu diskriminierungskritischem Übersetzen von macht.sprache habe ich auch belegt. Und ich habe Babel einmal komplett gelesen. Erstens weil ich das nach Möglichkeit immer mache, um etwaige Stolperfallen früh zu identifizieren und mich schon mal in den Text einzufühlen, und zweitens war ich für die zweite Hälfte zuständig. Da ist es schon praktisch zu wissen, was in der ersten Hälfte passiert ist 🙂 Außerdem habe ich in die Mohnblumen-Trilogie von R.F. Kuang reingelesen (Alex kannte sie bereits, glaube ich), rund um die Autorin recherchiert (schon um rauszufinden, ob mein aktueller Auftrag „Bäybel“ oder „Bähbel“ heißt) und mich ein bisschen durch die Besprechungen auf TikTok gewühlt.


3. Wie kam es dazu, dass zwei Übersetzerinnen an dem Roman gearbeitet haben – Wie kann man sich die Arbeit dann vorstellen? AJ: Ich habe eine Ausschreibung für einen historischen Fantasy-Roman gesehen und mich darauf gemeldet. Dem Lektor gefiel meine Arbeit in anderen Romanen, sodass er sich bei mir gemeldet hat. Nachdem wir den Zeitplan durchgesprochen haben, habe ich Heide mit ins Boot geholt, weil die Übersetzung in kurzer Zeit entstehen sollte und ich das alleine nicht geschafft hätte. Da hat es gut gepasst, dass ich Heide schon von der Arbeit an der Atlas-Trilogie kannte und sehr gern mit ihr zusammenarbeite. Heide legt uns für jedes Projekt ein Online-Dokument mit Glossar und Diskussionssheet an, sodass wir sozusagen ein gemeinsames Gehirn nutzen. Außerdem haben wir oft telefoniert.


HF: Oft und lange. Und uns zu jeder Tages- und Nachtzeit verzückte bis verzweifelte Chatnachrichten geschickt 😃


4. Wie lange hat der Übersetzungsprozess gedauert? Gab es verschiedene „Etappen“? AJ: Die Übersetzung dauerte bei mir von Mitte/Ende Oktober bis Ende Januar. Ich habe mir den Roman in Seiten unterteilt und dann jeden Tag ein gewisses Pensum gemacht. „Etappen“ in dem Sinne gab es nicht.


HF: Ich konnte erst Mitte November anfangen und habe meine Fassung Mitte Februar an Alex geschickt. 450 Normseiten in drei Monaten, das war kein Spaziergang, für Alex genauso. Bevor wir unsere Übersetzung beim Verlag abgeben, lektorieren wir uns einmal gegenseitig. In der Phase klären wir noch viele offene Fragen oder stoßen überhaupt erst auf Unstimmigkeiten, die wir dann gemeinsam begrübeln. Mit dem Lektorat und den Satzfahnen ging es dann ebenfalls wahnsinnig schnell.


5. R.F. Kuang greift in Babel besonders viele übersetzungstheoretische Aspekte auf, der Umgang mit Worten und die Bedeutung von Übersetzungen steht sehr zentral – was ist eure persönliche Meinung dazu? AJ: Mir hat das sehr gut gefallen, weil ich Übersetzen auch studiert habe und so einfach aus dem Kopf wusste, ob sie das so richtig wiedergibt oder nicht. Persönlich fand ich es auch toll, weil es eben genau meine Nerd-Nische war :)


HF: Mir ging das Herz auf, als ich bei der Arbeit Figuren begegnet bin, die nicht nur die gleiche Faszination für Bücher und Bibliotheken empfinden, sondern auch mein tägliches Ringen um die „richtigen“ Worte durchmachen. Außerdem stamme ich aus einer Klugscheißer-Familie, bei der das etymologische Wörterbuch immer griffbereit steht. Diese linguistischen Tauchgänge in Babel habe ich sehr genossen.


6. Welche Schwierigkeiten habt ihr beim Übersetzen festgestellt? Gab es Szenen oder Konstruktionen, die besonders schwer zu übersetzen waren? Wie seid ihr mit der Beziehung der Sprachen untereinander umgegangen (die englische Sprache ist ja in Babel die zentrale, mussten Dinge speziell für die deutschen Leser angepasst werden?) AJ: Wir haben uns dafür entschieden, die englischen Begriffe, die auf die Silberbarren geschrieben werden oder die Robin etymologisch herleitet, nicht zu übersetzen, sondern zu erklären. Robin lernt ja Englisch, kein Deutsch, von daher wäre es merkwürdig, wenn wir „stagecoach“ übersetzt und dann das deutsche Wort hergeleitet hätten.


HF: Es blieben aber noch genügend herausfordernde Textstellen, die ans Deutsche angepasst werden wollten. Die Schifffahrtsbegriffe beispielsweise (Marlspieker!), ein paar Jokes, die natürlich funktionieren sollen. Viel diskutiert haben wir bei allen Begriffen rund um „race” und rassistische Beleidigungen. Von den ganzen historischen und oxfordianischen Spezialitäten ganz zu schweigen … Für viele Stellen haben wir individuelle Lösungen gewählt statt strikter Pauschalentscheidungen.


7. Was war euer bisher schwerstes Übersetzungsprojekt? AJ: Definitiv Babel.


HF: Same – Babel.


8. Welchen Tipp würdet ihr angehenden Übersetzer*Innen mit auf den Weg geben wollen? AJ: Bildet Banden. Literaturübersetzer*innen sind ein sehr freundliches Völkchen und viele von uns üben den Beruf mit großem Idealismus aus. Sucht euch Freund*innen, die euch unterstützen, die euch bei Vertragsdurchsichten helfen können, und die verstehen, wenn euch ein Roman in den Wahnsinn treibt. Das „Netzwerk” ist unerlässlich - die „Verbündeten” auch.


HF: What she said. Unser Verband VdÜ hält unter https://literaturuebersetzer.de viele nützliche Infos für Berufsanfänger*innen bereit. In einigen größeren Städten gibt es auch Stammtische für den professionellen Austausch, da darf man gern vorbeigucken. Außerdem: Gute Bücher lesen 🙂


9. Und was wünscht ihr euch von der (BookTok/Bookstagram) Lesercommunity in Bezug auf Übersetzungen?

AJ: Ich würde mir konsequente Nennung von Übersetzer*innen wünschen, gerne auch mehr Interviews mit Kolleg*innen, wo es geht Übersetzungsvergleiche (Herr der Ringe z. B.). Es ist so wichtig, dass über unser Metier gesprochen wird, damit nicht immer nur der Stil der Autorin gelobt wird, sondern auch anerkannt wird, dass das mehrfach durch die Händer der Übersetzer*innen gegangen ist.


HF: O ja. Wenn ihr ein Buch besprecht – oder eigentlich schon, wenn ihr es zum Lesen in die Hand nehmt –, guckt einmal aufs Titelblatt, wer neben dem*der Autor*in noch für eure Begeisterung oder Langeweile verantwortlich zeichnet.

10. Was ihr sonst noch loslassen möchtet: AJ: Vielen Dank für deine Fragen! :)

HF: Herzlichen Dank!



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